Moin,
als ich vor ~15 Jahren in Bremen auf der HighEnd war, habe ich dort diverses esoterisches Zubehör gesehen. Knetmasse, die man um die Chinch-Stecker drapiert, um Einstrahlung zu unterdrücken, Steckdosen-Terminierungsstecker, damit keine bösen Geister in die offenen Schuko-Dosen gleichen, ... Und natürlich auch Netzkabel für 100€ aufwärts den laufenden Zentimeter.
Ich denke, dass dieses Zubehör maximalen Nutzen bringt - für den Hersteller. Wie Eingangs schon geschrieben wurde, die 230V Netzspannung sammelt auf dem Weg zur Steckdose schon alle bösen Geister ein, die sich im Haus und auf dem Weg vom Umspannwerk zum Hausanschluss einfangen lassen. Wenn man nun den letzten Meter mit Gold, Silber und Phosphordingsbums auslegt, wird das die Geister nicht vertreiben. Das kann nur das Netzteil im Endgerät! Und das ist der Punkt: Die Endgeräte werden doch mit DC-Spannung betrieben. Diese sollte also mit größtmöglicher Sorgfalt erzeugt werden, um Störspannungen/Frequenzen aus dem Musiksignal fernzuhalten. Daher halte ich 600€ für ein Netzteil höher Güte die bessere Investition als ein esoterisch angehauchtes Netzkabel.
Gruß
Moritz
Hallo Moritz,
dass Knetmasse und anderes Voodoo-Zeugs reine Beutelschneiderei ist, versteht sich ebenso von selbst wie die Tatsache, dass man mit einem Stromkabel keine Störungen aus dem Netz beseitigen kann. Denke, dass darüber allgemeine Einigkeit bestehen dürfte, zumindest hier im HuH.
Die Betrachtung eines Netzkabels ist daher auch eine komplett andere.
Zunächst mal handelt es sich im Gegensatz zum Ideal eines Massivleiters, so wie er in der Wand verlegt ist, um eine flexible Ausführung aus einzelnen Fasern. Bedeutet: technisch bedingte Einflüsse hinsichtlich Kapazität, Induktivität und Widerstand. Somit ist diese Zubehörkomponente genau genommen auch nicht als Bestandteil des Stromnetzes, sondern vielmehr des integrierten Gerätenetzteiles zu betrachten. Manche Hifi-Hersteller verplomben die Netzkabel auch genau aus diesem Grund fest am Gerät, um hier ganz bewusst einen externen Austausch zu unterbinden (da Bestandteil der Geräteentwicklung). Andere wiederum handeln nach dem Grundsatz: "Wir packen das billigste mit dazu, weil sich eh kaum jemand dafür interessiert, auswechseln kann dann immer noch wer will."
Auch vor dem Hintergrund, dass aufwändigere Konstruktionen oft nur in Handarbeit möglich sind, die Preise dafür dann exorbitant nach oben schnellen und mögliche (winzige) klangliche Vorteile, so sie denn dadurch tatsächlich entstehen, in keinem Verhältnis mehr zum Gerätemehrpreis stünden. Der Hersteller würde dafür immer erst mal in anderweitige Modifikationen an seinem Produkt investieren, die für den Endkunden erfassbarer und nachvollziehbarer sind. Ein Käufer, der hingegen mit seinem Gerät (= und seinem Stromnetz, was gar nicht zwingend verseucht sein muss, der Versorger hat gesetzliche Vorgaben und die meisten Störungen entstehen sowieso hausintern) happy ist und nur noch an technischen Strom-I-Tüpfelchen feilen möchte..... warum nicht?
Auf einem völlig anderen Blatt hingegen steht bei Highend-Netzkabel das Preis-Leistungsverhältnis (womit ich nicht auf Klangfragen, sondern ausschließlich auf den Fertigungsaufwand bzw. die Rechtfertigung dafür im Einzelfall abziele). Wenn ein stinknormales, zweiadriges OFC-Kupfer mit irgend einem nicht nachvollziehbaren Mondscheinbestäubungsverfahren geweihräuchert wird, um astronomische Preise zu begründen, fehlt mir hierfür ebenso das Verständnis, wie wenn um ein (zugegebenermaßen technisch betrachtet solides) Ölflex-Lapp für kleines Geld einfach nur ein Geflechtschlauch gelegt wird, um den Preis anschließend zu vervielfachen.
Genau genommen ist also nicht der Highend-Zubehörmarkt selbst das Problem, sondern der kontraproduktive Mix aus seriösen Anbietern mit versierten Entwicklungsabteilungen sowie Schlangenbeschwörungs-Abzockern einerseits - und oftmals mangelnder Bereitschaft der Konsumenten andererseits, sich die Mühe zu machen, ein Produkt einfach mal auf die "Hard-Facts" runter zu strippen und zu pauschalisieren, ohne sich ernsthaft mit der Technik und der Physik auseinander zu setzen. Ein zentrales Problem seit unzähligen Jahren, bedingt durch die Echokammer-Foren und deren Facebookgruppen-Ablegern. Der Hauptgrund, warum ich mich, (neben den viel besseren Umgangsforen) hier angemeldet haben.
Und alles was in irgendeiner Form mit Klang oder Unterschieden zu tun hat, kann ohnehin nur jeder für sich selbst verifizieren. Doch selbst hier zeichnet sich ein weiteres Problem ab, was durch die ewigen Grabenkämpfe entstanden ist: Der Verlust von Unvoreingenommenheit. Holzohren beschränken sich auf die Standardphrase "Suggestion, man hört Unterschiede weil man sie hören will", Goldohren auf das immer wiederkehrende Argument "wer keine Unterschiede hören will, hört auch keine". Dabei liegt die lapidare Wahrheit doch wo ganz anders: Man probiert etwas aus um etwas herauszufinden, zieht daraus seine persönlichen Schlüsse und kauft ausschließlich aufgrund dieser praktischen Resultate. Kritisch wird es eigentlich nur dann, wenn man versucht das eigene Fazit auf die Allgemeinheit zu übertragen. Übrigens eine echte Zwickmühle, in der diesbezüglich gerade die Hersteller stecken: Tun sie das, um es fürs Marketing zu nutzen, wird vom Konsumenden (dank "Allesklingtgleichforum") ohne weitere Prüfung häufig sofort das Esoterik-Stempelchen draufgeknallt, unterlassen sie es hingegen um genau dies zu vermeiden, langweilen sie alle technisch Uninteressierten (wahrscheinlich die Mehrheit) und es steht erst mal lediglich ein viel höherer Preis auf dem Produkt, als auf einem Fünfeuro-Kabel.