Er sagt genau das, was ich mit dem Antimode erlebt habe!
Mir kommt ein DSP nicht mehr in meine Kette!
Oh Mann....
in diesem Video ist so viel Halbwissen und falsches mit sachlich richtigem vermischt, dass ich gar nicht weiß wo ich überhaupt anfangen soll. Ich versuche das alles daher jetzt einfach erst mal zu ordnen. Dass irgendwelche Quellen in Youtube von selbsternannten Experten hier nicht der Maßstab sein können sollte jedem klar sein. Und dass insbesondere in einem anderweitigen Forum Leute versuchen, über eine grundsätzliche Linearisierung
alles gerade zu rücken und so etwas nicht zielführend ist, eben so wenig.
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Also lasst uns doch einfach zuerst einmal zuerst das Ziel definieren, wo wir überhaupt hin möchten. Es zwei Gruppen von Hifi-Fans.
Gruppe 1 = Diejenigen, die eine möglichst authentische Wiedergabe anstreben, also genau so hören wollen, wie es ursprünglich auf den Tonträger gebannt wurde. Hier sprechen wir vom audiophil orientierten Klientel
Gruppe 2 = Alle, die nur danach gehen, ob ihnen das, was sie hören gefällt, egal wie viel es mit der Originalaufnahme noch zu tun hat.
Beide Ansätze sind völlig legitim, vielmehr ist die Frage, wo man sich selbst wiederfinden möchte.
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Als nächstes gehen wir mal die gesamte Kette einer Hifi-Anlage durch und differenzieren erst mal, wo eine Linearisierung überhaupt Sinn macht und wo nicht
A) Geräte= auf jeden Fall, denn hier führen Abweichungen ausschließlich zu Veränderungen. Wem bereits das Original aufnahmetechnisch nicht gefällt, der sollte tatsächlich über Klangregler wie Equalizer, Bass- oder Höhensteller nachwürzen. Denn hierfür gibt es keinen objektiven Maßstab. Eine
fixe Unlinearität kann und darf hier also niemals das Ziel sein
B) Lautsprecher = Pauschal lässt sich dies nicht beantworten. Selbstredend ist für die Gruppe 1 (= die Audiophilen) ein linear abgestimmter Lautsprecher zunächst einmal ideal, Die Entwickler sind sich aber auch völlig darüber im klaren, dass die Raumakustik bei Laien häufig erst gar nicht berücksichtigt wird. Vermutlich der Löwenanteil aller Kunden. Aus Sicht eines Entwicklers also ein sehr schwieriger Spagat zu entscheiden, wie er mit seinem Produkt möglichst viele Käufer zufrieden stellen kann. Man könnte also auch von der undankbaren Aufgabe einer "Quadratur des Kreises" sprechen. Auf grundsätzliche Dinge wie die Richtkarakterristik, Bauform (BR oder geschlossen) usw. kann man als Hersteller zwar Einfluss nehmen, ist dann aber wiederum darauf angewiesen, dass der passende Lautsprecher ge- bzw. verkauft wird. Bereits dieser Umstand zeigt auf, in was für einem Dilemma Hersteller von Boxen stecken. Denn hier geht es nicht nur um Klang, sondern auch um Umsatz und somit Arbeitsplätze. Darüber hinaus lassen sich bei weitem nicht
alle raumakustischen Probleme allein durch die Bauform in den Griff bekommen.
C) Raumakustik = Hier kann ein reines plattmachen des Frequenzverlaufes weder für die Gruppe 1 noch für die Gruppe 2 erstrebenswert sein, da hier unzählige weitere Einflüsse für das Hörresultat verantwortlich sind. Streng genommen für jede einzelne Frequenz, die Phasenlage, das Zeitverhalten, die Auswirkungen der Blauertschen Bänder je nach Sitzposition zum Lautsprecher, unzählige psychoakustische Einflüsse etc... etc...
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Die grundsätzliche Schwierigkeit bei der Lösung raumakustischer Probleme
Einen Versuch, den jeder, der Zeit, Lust und die Möglichkeit dazu hat, gerne mal für sich machen kann: Einfach die heimische Anlage in den Garten auf die grüne Wiese stellen und abspielen lassen. Was passiert dann? Die Anlage spielt nur noch zu einem Bruchteil der gewohnten Lautstärke, keine Rauminformation mehr, die Boxen sind übelst ortbar.
Warum ist das so?
Ursache sind die beiden wichtigsten physischen Parameter. Schalldruck und Reflexionen. Während bei einer Wiedergabe über Kopfhörer der Abstand von der Schallquelle bis zum Trommelfell verschwindend klein ist, nimmt er bei Boxen mit jedem Meter Distanz zum Hörer schon mal spürbar ab. Und mangels Reflexionen von Raumwänden verflüchtigen sich die Schallwellen zusätzlich, ohne dass sie die Chance haben, das Ohr zu erreichen.
In einem geschlossenen Raum hingegen kann sich Schall
nicht verflüchtigen was zunächst mal vorteilhaft ist, Die Schwierigkeit liegt dann aber in einer Art "Pingpong-Effekt" (Reflexionen).
Im Bassbereich spricht man dann von Moden, bei höheren Frequenzen hingegen von Nachhall.
Je massiver man diese Mehrfach-Reflexion nun bekämpft, desto leiser wird dann erst mal die Wiedergabe. Völlig egal, ob dies durch physische Akustik-Elemente im Raum oder einen Eingriff per DSP geschieht.
Daher kann ein Verstärker, so bald man an die Raumakustik ran geht, eigentlich gar nicht potent genug sein, um die hierdurch entstehenden Pegel-Defizite auszugleichen.
Von all dem ahnt "klassisches Lieschen Müller" aber selten etwas. Bei einem DSP-Einsatz wird dann einfach nur festgestellt, dass es nach der Korrektur leiser klingt, was Laien dann meistens als "Verfälschung" interpretieren: Leiser = schlechter. Hinzu kommt, dass Hersteller von automatischen DSPs ihre Produkte dann genau aus diesem Grund auch noch so konstruieren, dass für den objektiven Direktvergleich auch das Original-Signal zwangsläufig auf das gleiche Niveau abgesenkt wird, anders geht es ja nicht. So kommt es dann meistens zu der irrigen Fehleinschätzung, DSPs würden grundsätzlich den Klang verschlechtern. Den selben Effekt hätte man natürlich auch, wenn man die Eierpappe wieder von der Wand reißt, nur gestaltet sich das halt schwieriger, als ein einfacher Knopfdruck auf einer Fernbedienung.
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Was also macht also am meisten Sinn? Der Einsatz von DSPs ? Physische Elemente ? Oder lieber gleich gar nichts machen?
Gruppe 2 hat hier den Vorteil, durch etwas Boxenrücken meistens irgend einen Sound zu erreichen, der subjektiv gefällig ist. Und nach dem Motto "einen Vergleich zum Original habe ich eh nicht" ist das Thema dann auch ganz schnell abgefrühstückt.
Deutlich schwieriger gestaltet sich das Unterfangen für die Gruppe der Audiophilen. Denn Tatsache ist nun einmal: Ohne raumakustische Korrekturen wird es niemals dem entsprechen, wie es ursprünglich einmal aufgezeichnet wurde. Hier entsteht zwingender Handlungsbedarf. Und genau an diesem Punkt entstehen zwischen Halbwissenden aus der bereits oben beschriebenen Unkenntnis der Materie heraus eine Ablehnungshaltung gegenüber DSPs und es wird völlig inkorrekt argumentiert, nur physische Maßnahmen würden keine Klangverfälschungen verursachen.
Beide Maßnahmen greifen gleichermaßen in die Wiedergabe ein..... weil es im Sinne einer möglichst hohen Originaltreue des Ursprungssoundes auch so beabsichtigt ist. Ähnlich wie bei einer Impfung, sofern gut umgesetzt, sind die Nebenwirkungen dann deutlich besser zu verschmerzen, als die Klangverschlechterung infolge einer unzureichenden Raumakustik.
Dennoch lässt sich aber nicht grundsätzlich die Frage beantworten, ob ein DSP oder physische Elemente der bessere Weg sind. Die Unterschiede liegen vielmehr in ihren völlig unterschiedlich gelagerten Stärken und Schwächen:
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Nachhall lässt sich per DSP bei mittleren und hohen Frequenzen bestenfalls nur ansatzweise in den Griff bekommen. Sehr komplexe Systeme wie Trinnov oder Room Perfect analysieren den Raum im Rahmen einer
dreidimensionalen Einmessung, um zwischen Direktschall und reflektiertem Schall unterscheiden zu können. Aber selbst diese Technologien können den Hochton und den Mittelton nur mit sehr spitzen Fingern an. Hier ist ein Mix aus Diffusion und Absorbation im Raum selbst meistens am zielführendsten, was durch dicke Polster, Teppiche, schwere Vorhänge oder auch Akustikbilder erreicht wird. Übertreiben sollte man es damit allerdings nicht, sonst klingt es hinterher dumpf und muffig, wenn all zu viele hohen Frequenzen absorbiert werden.
- Raummoden hingegen zeigen sich aufgrund ihrer Langwelligkeit hiervon allerdings völlig unbeeindruckt, da bräuchte es schon fast wandschrankgroße Eckabsorber, die im Vorfeld dann aber exakt berechnet und angefertigt sein wollen, dass sie zur tatsächlichen Situation des Raumes passen . Ebenso wie DBA´s. Hier ist ein DSP sicher die mit Abstand praktikabelste Lösung, denn sehr tiefe Frequenzen kann das menschliche Ohr einerseits nicht lokalisieren, andererseits kann ein Algorithmus hier ganz gezielt den Hebel anlegen. Ohne die Hilfe eines externen Akustikers.
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Fazit
Selten schreibe ich derart lange Monologe, aber dieses Youtube-Video habe ich auf halber Strecke abgeschaltet, weil hier einfach viel zu viele Dinge aus dem Zusammenhang gerissen werden, unvollständig sind, oder Vergleiche angestellt werden die hinken (wie etwa mit einem Hightech-Fotoapparat, der bei richtiger Bedienung sicherlich mehr leistet, als ein Smartphon oder gar eine uralte Ritschratsch-Kamera)
Ob ein Käufer ohne Raumakustiker zu sein mit einemautomatischen DSP mehr anfangen kann, oder der berufliche Profi in sämtliche Funktionalitäten eingreifen möchte, hängt sicher vom Einzelfall ab. Bei automatisierten DSPs entscheidet der Algorithmus, wie es hinterher klingt. Er darf den Klang nicht verändern, sondern lediglich im Rahmen seiner Möglichkeiten das herausfiltern, was eindeutig nicht auf der Aufnahme drauf ist. Wie ebenfalls oben beschrieben eine sehr anspruchsvolle Aufgabe